Ich hab zwei Lieblingssagen eine schöne namens 'DER KLABAUTERMANN' und eine tragische namens 'DER FLUCH DER NIXE VOM NEUSIEDLER SEE'
DER KLABAUTERMANN
Eine steile Welle bricht über das Heck. Die durch die Seereling sprühende Gischt nimmt dem Steuermann die Sicht, das Salzwasser brennt in seinen Augen. Mit nachlassender Kraft klammmert er sich an die rutschigen Rudergriffe. Die bisher lauteteste Bö schüttelt das Rigg, ein Segel reißt ratschend entzwei. Das Ruder entgleitet ihm, die Brigg schlägt quer und hart schlägt die nächste Welle gegen den Rumpf, der die Gewalt nur mit ächzenden Geräuschen erwidert.
Der Rudergänger erlangt erneut Kontrolle über das Steuerrad, und in den kurzen Momenten, in denen das Schiff die Welle wie auf Schienen herunterfährt, nur um im nächsten Moment wieder aus der Bahn geworfen zu werden, denkt er an den Meeresgrund und seine Familie in Hamburg.
Die Freiwache kann nun auch nicht mehr unter Deck verweilen, sie will sich an Deck versammeln, um noch mehr Tuch zu bergen. Doch alle Arbeiten gegen das Wetter sind vergebens – der Wind zerstört immer mehr Teile der Segel. Da müssen sie auch schon wieder unter Deck eilen, denn der Schiffsjunge brüllt den Niedergang hinauf: „Die Kohle hat sich gelöst und verrutscht im Laderaum!”
Es dauert nicht lange, und zehn Tonnen von der schwarzen Ladung poltern im Frachtraum umher. Dunkler Staub füllt das Innere. Alle an Deck entbehrlichen Männer versuchen nun verzweifelt mit Steckschotten das Umherrutschen zu verhindern. Würde die Ladung auf eine Seite rollen, ginge das Schiff unter.
Unter Deck verstärkt sich das Seufzen des Rumpfes und das Pfeifen der Wanten. Fast regelmäßig erschallen hämmernde Geräusche von der Schiffswand, als wolle jemand prüfen, ob alle Planken noch halten. Mit einem markerschütternden Krachen zerbirst die Ladeluke. Der Fockbaum kracht in den Laderaum und begräbt sieben Männer unter sich. Das Seewasser dringt nun mit jeder überkommenden Welle ungehindert in das Innere des Schiffes.
Einen Vorteil bringt der Mannschaft die missliche Lage – die Staubwolke legt sich. Die Handleuchter werfen ihren flackernden Schein wieder auf die Ladung.
Etwas anderes als die Ladung zieht aber nun die Aufmerksamkeit der Männer auf sich – ein kleines Männlein, mit einem Hammer in der Linken und einer Tabakspfeife in der Rechten, stolpert umher und beklopft die Spanten und Wrangen. Die Crew weiß, diese sonderbare Gestalt gehört nicht zur Mannschaft. Nichtsdestotrotz führt diese ihre prüfende Arbeit fort, mit hochgezogenen Brauen und besorgten, blau-schimmernden Augen.
„Fort mit ihm”, brüllt der zweite Offizier von der Niedergangstreppe, der just heruntergestiegen war und die tatlosen Männer beim Betrachten des Winzlings beobachtet hatte, „das ist der Klabautermann! Seine Anwesenheit hat uns in diese Situation gebracht. Der einzige Weg, uns zu retten, ist, sich ihm zu entledigen! Werft ihn in die See!”
Weiterhin, wie gelähmt, verbleibt die Crew unter Deck, doch geschüttelt von den Schiffsbewegungen, nur der Smutje eilt zur Tat und packt die Gestalt. Mit kräftigem Griffe zerrt er ihn den Niedergang hinauf, stößt dabei gegen Mast und Wanten, verfängt sich im Tauwerk, befreit sich wieder und hastet in Richtung Reling. Eine Welle überspült das Deck, beide über die Brüstung, den Smutje in die brodelnde See.
Die Decksmannschaft sieht eine Hand sich an der Reling festklammern. Da tritt der Käptn an Deck, in schwerem, schwarzem Ölzeug, entschlossenen Schrittes an die Reling. Doch auch er kann der Wellengewalt nicht trotzen, wird gegen die Stützen gespült. Er erwischt den Hänfling in letzter Sekunde vor dem nächsten Brecher und schleudert ihn durch die Relingsstützen an Deck.
Sogleich rennt der Klabautermann wieder unter Deck. Der Käptn befiehlt, weiterzumachen, die Ladung zu sichern, ohne über den beinahe über Bord gegangenen blinden Passagiers ein Wort zu verlieren. Nachfragen der Crew entgegnet der Kapitän mit Schweigen. Das Männchen indessen ist in keinem Winkel des Schiffes mehr auffindbar. Nur vereinzelt meinen Matrosen, sein typisches Klopfen vernehmen zu können.
Noch weitere fünf lange Stunden halten die Männer aus. Schließlich legt sich der Sturm. Von der Brigg sind nur noch ein Mast und drei Segel übrig. Zehn Männern hat es das Leben gekostet, die Ladung ist hinüber.
In Hamburg angekommen, verkündet der Käptn dem Reeder, dass er unter seiner Flagge nie wieder ein Handelsschiff führen werde.
DER FLUCH DER NIXE VOM NEUSIEDLER SEE
In alten Zeiten, als noch das muntere Völklein der Nixen und Wasserfeen in den spiegelnden Fluten des Neusiedler Sees sein Spiel trieb und sich hie und da unvermutet auch den Augen der Menschen zeigte, wohnte am Ufer des Sees ein alter geiziger Fischer. Täglich legte er seine Netze im See aus und kehrte am Abend, mit reicher Beute beladen, in seine Hütte zurück. Der Verkauf der Fische brachte ihm stets guten Gewinn, und so war er mit der Zeit ein wohlhabender Mann geworden, der es nicht nötig gehabt hätte, über jedes nicht volle Netz in lauten Jammer auszubrechen. Aber er war unersättlich in seiner Gier nach Gewinn. Als nun der Fischreichtum des Sees allmählich nachließ, schob er die Schuld daran auf die Wasserfeen, die durch ihr Treiben die Fische verjagt hätten, und beschimpfte sie mit bösen Worten.
Eines Tages hatte er wieder sein Boot bestiegen und war das Seeufer entlanggefahren. Da bemerkte er in einer Bucht ein anmutiges Wesen, das sich vergebens bemühte, von der Stelle zu kommen. Als er näher heranruderte, erkannte er, daß es eine wunderschöne Wassernixe war. Sie hatte sich in einem seiner Netze verstrickt und bei ihren Anstrengungen, sich zu befreien, mehrere Löcher hineingerissen.
"Hilf mir aus dem Netz!" bat sie flehentlich. "Sieben Tage und sieben Nächte bin ich hier schon gefangen, und es gelingt mir nicht, loszukommen. Meine Kinder weinen nach mir." Aber der Fischer hatte taube Ohren für ihre Bitte. Wütend, daß ihm die Fee die Fische verjagt und noch dazu das Netz zerrissen habe, stieß er mit seiner Gabel das Seeweib nieder, das ihm mit letzter Kraft noch zurief: "Sei verflucht für deine ruchlose Tat! Nie sollst du die Deinen wiedersehen!" Dann versank sie sterbend im See.
Höhnisch lachte der Fischer. Da erbebte der Seegrund, finstere Nacht brach herein. Heulend fuhr ein rasender Sturmwind in die glatte Fläche des Sees und rührte gewaltige Wogen auf. Die Windsbraut riß Fischer und Kahn in den offenen See hinaus, wo sich die tobenden Wellen über dem grausamen Mann schlossen, um ihn nie wieder herauszugeben.
Wenn an stillen Abenden dünne Nebelschleier das flüsternde Röhricht des Sees bedecken, hört man wohl ferne ein leises Plätschern und Knirschen im See. Es ist der verdammte Fischer, der sein Boot mit müder Hand dem Ufer zusteuert. Doch umsonst ist sein Bemühen, der Kahn weicht nicht von der Stelle, und es gelingt ihm nie, den rettenden Strand zu erreichen.
Lieblingsbrettspiel?
Letzte Änderung durch Skily (Am 12.12.2021 um 10.17 Uhr)