Im Feuerhain - bei Wei Chan, unterwegs, in Shans Haus mit Xiao
Shan schlief noch tief und fest. Erst als sich jemand bewegte und eine tiefe Stimme sprach, wurde er langsam wach. Um so überraschter war er, als vor ihm Xiao aufrecht saß und noch leicht verwirrt umherblickte. Augenblicklich wurde er hellwach und umarmte den Jungen vor sich. “Xiao“, kam es nur und ihm war im ersten Moment egal, wie der Blonde darauf reagierte.
Wei-Chan ließ die beiden kurz allein und Xiao begann Fragen zu stellen. Shan überlegte, wie er das alles so kurz wie möglich erzählen konnte. „Nein, bist du nicht“, begann Shan zu erklären. „Du bist in Huolin, im Hao Clan. Wir haben dich aus Yunmeng rausgeholt. ...Ich wusste das irgendwas nicht stimmt, als du nicht mehr geschrieben hast. ...Und bevor du Angst bekommst, das du zurück musst... Du kannst ab jetzt hier bleiben. Hao Binghe hat dich...sozusagen freigekauft. So seltsam das jetzt klingt. Also mach dir keine Gedanken mehr darum, sondern werde erst mal gesund, ok?“
Xiao jedoch schien ein äußerst schlechtes Gewissen zu haben, in vielerlei Hinsicht, und Shan schüttelte den Kopf.
„Rede dir doch nicht so einen Quatsch ein“, begann er und blickte ernst. „Das mit dem freikaufen habe ich nur so gesagt. Du musst nicht mehr nach Yunmeng. Du bist frei. Und wenn du willst kannst du in unseren Clan.“
Auf Xiaos weitere Worte wusste Shan keine Antwort mehr um ihn zu überzeugen, doch da kam bereits Hao Binghe herein und übernahm alles weitere.
Shan nickte auf Binghes Worte, bekam allerdings kurz große Augen, bevor er wieder Xiao anblickte und verlegen grinste. „Da hörst du´s.“
Binghe munterte Xiao auf, bis er schließlich nickte und zusagte, auch wenn Shan es erst einmal nicht so gefiel, weil Xiao Ren zuerst nannte, weil er diesen wiedersehen konnte. Allerdings hatte Xiao vorher keine wirklichen Freunde, daher sah Shan darüber hinweg. Da Xiao schließlich meinte, dass er sich freuen würde bei Shan zu sein, grinste dieser breit. „Ja, und das kann er jetzt nicht mehr zurück nehmen“, kam es nur von ihm.
„Du kannst auch bei mir wohnen“, begann Shan, auf Binghes Erklärung hin, Xiao würde ein eigenes Zimmer bekommen, stockte allerdings um Xiao nicht zu überfordern. „Aber nur wenn du willst. Wenn du lieber erst mal allein wohnen willst, ist das auch ok.“
Binghe war gegangen und Xiao wie auch Shan mussten sich eine kleine Predigt seitens Wei-Chan anhören. „Ja, mach ich“, kam es nur von Shan, der den Mund verzog und dem es gar nicht passte, Xiao in der Nacht allein zu lassen. Doch dann fiel ihm etwas ein und er setzte sich aufrecht hin. „Mein Bruder meinte mal, er hat da so ein komisches Zeug, mit dem verschwinden Narben. Ich kann ihn fragen, der hat so was doch immer dabei.“
Wei-Chan stimmte sofort zu, Xiaoshi allerdings dachte, Shan müsse dafür in die Wolkennische.
„Ich muss dafür nicht weg“, erklärte er und lächelte. „Er ist hier. Irgendwo da draußen buddelt er gerade in der Erde.“
Auf Xiaos Worte hin grinste er nur noch.
Es vergingen nur wenige Tage, bis Xiao endlich das Krankenzimmer verlassen durfte. Tagsüber versuchte Shan so oft bei Xiao zu sein wie er konnte und durfte, doch an diesem Tag musste Xiao nicht länger bei Wei-Chan sein.
Als Shan Xiao schließlich abholen wollte, sprach Wei-Chan ihn noch einmal an und Shan nickte. „Ich weiß“, antwortete er und nickte ernst. Niemand würde so etwas erlebte einfach wegstecken ohne ein seelisches Trauma. Doch mehr als für ihn da sein, konnte er vorerst nicht. Und vielleicht half das ja schon, damit er nicht irgendwann zusammenbrach.
„Xiao, genug rumgelegen. Lust auf einen Spaziergang?“ Shan grinste, als er herein kam. Er versuchte zwar Wei-Chans Rat zu beherzigen, doch er wollte Xiao vorerst lieber ablenken und beschäftigen.
Dieser lächelte und war von der Idee begeistert.
Shan nickte. „Dann stelle ich dir gleich ein paar Leute vor, denen wir so begegnen. Keine Sorge, die kommen nicht in Scharen an“, grinste er. „Und wenn du Ruhe haben willst, gibt es genug Ecken wo keiner nervt.“
Xiao war schon gespannt auf die ganzen Leute und glaubte damit auch etwas über Shan zu erfahren, vor allem seine Kindheit.
„Na, hoffentlich nicht“, antwortete Shan darauf und begleitete Xiao nach draußen. „Die übertreiben doch alle, wenn die was erzählen. Glaub denen kein Wort.“
Xiaoshi wollte es trotzdem wissen und Shan verzog den Mund. „Ich hab dich gewarnt“, sagte er nur und zeigte Xiao schließlich den Feuerhain. Die meisten denen sie begegneten begrüßten Xiaoshi nur freundlich und hießen ihn willkommen. In einem Clan blieb nun mal nichts lang verborgen. Es wusste zwar nicht jeder von der Verbindung der beiden, doch was Xiaoshi durchgemacht haben musste, durchlief den Feuerhain wie ein Lauffeuer.
Am See, mit all den wunderschönen roten Lilien, überlegte Shan, ob er einen Umweg laufen sollte, um Mingyan zu umgehen, doch sie sollte um diese Uhrzeit ohnehin nicht hier zu finden sein.
Am Ende kamen sie bei Shans Haus an und Shan bat Xiaoshi einzutreten.
Sein Haus war nicht klein, allerdings lang nicht so groß wie das von Ren. Er hatte alles was er brauchte. Ein großes Bett, einen Schreibtisch, ein paar Regale in denen Bücher standen und in der Mitte des lang gezogenen Raumes und nah an einer Terrasse ein Tisch mit bequemen Kissen dazu. Es war schlicht und vermutlich fehlte der feminine Touch, doch es war auch gemütlich und hell. „Willst du einen Tee? Lian hat Kekse aus Gusu mitgebracht, die sind echt lecker.“
Xiao sah sich um und fand Shans Haus gemütlich, worauf sich Shan bedankte. Auf die Frage allerdings, wo Xiao schlafen könnte, zeigte Shan auf sein Bett. „Na, dort“, begann er, weil er es für selbstverständlich hielt. „Wenn dir das zu schmal ist, können wir noch ein Bett reinstellen. Platz ist genug.“
Xiaoshi lief knallrot an. Shan wunderte sich allerdings nur. „Ist dir das immer noch unangenehm?“, fragte er und überlegte. „Ich dachte, das Bett ist so groß, das reicht für zwei.“
Auf Xiaoshis Worte hin, wusste Shan nicht was er sagen sollte. Also ging er zu ihm und umarmte ihn sanft. „Sollten deine Nächte schlaflos sein, bin ich für dich da. Egal aus welchem Grund“, begann er schließlich und sah ihn wieder an. „Du kannst dich an mich lehnen, wenn dir danach ist. ...Du hast viel durchgemacht und ich möchte dich einfach nicht allein in einem Bett schlafen lassen. Vielleicht schläfst du besser, als du denkst.“ Shan strich Xiaoshi sanft über die Wange und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Und wenn du doch kein Auge zubekommst, können wir immer noch ein anderes Bett aufstellen. Also was denkst du?“, fragte Shan schließlich lächelnd.
Zumindest gab Xiao schließlich zu, lieber eine schlaflose Nacht zu haben, worauf Shan grinste und schließlich den Tee machte.
Als es Zeit war ins Bett zu gehen, ließ Shan Xiao erst einmal seine Ruhe, sich an sein neues Zuhause zu gewöhnen und ließ ihm die Wahl, ob er zuerst oder später ins Bad wollte. Da Xiao lieber nach ihm ins Bad ging, versuchte Shan sich zu beeilen, allerdings nicht zu hetzen.
„Wenn du möchtest, kannst du das Hemd zum schlafen anziehen“, sagte Shan schließlich, als er aus dem Bad kam und Xiao ein weißes und weites Hemd reichte, in welches er nur reinschlüpfen musste.
Da es warm war, trug Shan nur eine kurze Hose und ein Hemd mit kurzen Ärmeln. Er mochte es einfach nicht, zu viel im Bett anzuhaben. Es störte nur.
Als Shan sich hinlegte, brannte nur noch eine kleine Kerze, welche jedoch genug Licht gab, um sich zurecht zu finden. Xiao brauchte eine Weile, bis er es schaffte, sich zu Shan ins Bett zu legen und der Braunhaarige versuchte ihn nicht zu drängen.
Als er es allerdings geschafft hatte, drehte sich Shan zu Xiao um. „Wenn du etwas brauchst, dann wecke mich. Egal was es ist, ja?“
Xiao nickte lächelnd, doch schien alles zu haben, was er momentan brauchte.
Shan strich sanft über Xiaos Wange und gab ihm einen Kuss auf die Stirn, bevor er sich etwas über ihn beugte, um das Licht zu löschen. „Schlaf gut“, sagte er schließlich, als er sich wieder hinlegte.
Xiao murmelte nur noch ein paar Worte und war still.
Shan wollte Xiao auch weiterhin nicht zu nahe kommen, da er nicht wusste, ob er es wollte, also hielt er sich zurück, den Blonden in den Arm zu nehmen. Zudem waren seine Wunden noch nicht vollständig verheilt und er wollte ihm nicht zusätzlich schaden. Also lag er irgendwann auf dem Rücken und schlief bald ein.
Die vielen kräftezehrenden Tage und Nächte, die Shan weder gut schlief, noch sonst etwas tat was erholend war, ließen ihn lang schlafen. Noch ließ Binghe oder auch Shi Mei ihn in Ruhe. Die Tage des Trainings kamen ohnehin irgendwann wieder. Doch bis dahin hatte Shan vielleicht noch wenige Tage, die auch er sich erholen konnte und vor allem dort sein konnte, wo er gebraucht wurde.
Irgendwann wachte Shan schließlich auf und sah Xiaoshi am Bett sitzen. „Du bist schon auf?“, fragte er und setzte sich schwerfällig auf. Seine Haare hingen wild nach allen Seiten und mit einer Hand streifte er nur die nervigen Strähnen nach hinten. „Wie hast du geschlafen?“, fragte er schließlich und sah Xiaoshi dabei an.
Xiaoshi gab ihm Antwort und lächelte dabei, doch Shan wusste nicht, ob er wirklich ehrlich zu ihm war. Selbst in den Briefen hatte er sich sehr wage ausgedrückt.
Shan schlug die Bettdecke zurück und setzte sich näher an Xiao heran. „Mein Bruder hat dir irgendwelche besonderen Blumen ans Bett gestellt, damit du keine Alpträume bekommst. Aber wir hatten keine Blumen diesmal hier. ...Hattest du denn Alpträume?“
Xiao schüttelte allerdings den Kopf und wich dem Thema aus, also sagte Shan dazu nicht mehr weiter und rückte an die Bettkante. Er wusste, wenn Xiao irgendwann reden wollte, würde er sicher zu ihm kommen.
Bei Xiaos weiteren Worten wurde Shan allerdings hellhörig. „Habe ich das?“, fragte er und überlegte. „Ich habe doch aber nur geschlafen?“
Bei Xiaos Antwort wurde Shan jedoch immer verblüffter. „Was? Wieso? Was hab ich gemacht?“
Xiao allerdings wollte es partout nicht preisgeben.
„Das macht mich nur noch neugieriger.“, sagte er und grübelte. Da Xiaoshi es ihm vermutlich ohnehin nicht sagen würde, beließ er es vorerst dabei und schlug vor frühstücken zu gehen.
Im Feuerhain mit Shan und Xiao, in Huolin, auf einem Berg, unten im Tal
Die heißen Quellen waren eine Wohltat und auch wenn sie für den Moment ermüdeten, half die kühle Luft, des aufkommenden Abends, wieder munterer zu werden. „So eine heiße Quelle ist etwas wunderbares. Im Winter, wenn überall der Schnee liegt, hat es sicher etwas geheimnisvolles“, sagte Aishan und lief mit Ren in Richtung seines Hauses. Doch Binghe lief ihnen über den Weg und sprach sie an.
Aishan nickte höflich. „Vielen Dank“, begann er und überlegte. Er hatte so lang die Kleidung des Lan Clan getragen und etwas in ihm wollte das noch nicht gleich ändern. Allerdings, nur weil er in einem anderen Clan war und diese Kleidung tragen sollte, hieß es nicht, er würde den Lan Clan verraten. Selbst Xichen wünschte ihm alles Gute und legte ihm keine Steine in den Weg. Es war nur ungewohnt, nach so langer Zeit, so viel auf einmal zu ändern. Doch da Xiaoshi sich ohnehin noch erholen musste, hatte Aishan noch eine Weile Zeit.
Eine Sache beschäftigte ihn jedoch trotzdem und er richtete sein Wort an Hao Binghe. „Auch wenn ich ab sofort in einem neuen Clan zu Hause sein werde, habe ich dem Lan Clan einen Eid geschworen, den ich gern erfüllen möchte. Wenn ihr erlaubt, möchte ich meine Kleidung so lang tragen, bis ich eines Tages heiraten werde.“ Vor allem sprach Aishan damit sein Stirnband an, welches er nur vor Ren ablegte und erst mit seiner Heirat auch vor allen anderen ablegen wollte.
Auf Binghes Antwort hin verbeugte sich Aishan leicht und lächelte dankend. Auch wenn das Clanoberhaupt damit einverstanden war, fühlte es sich trotz allem etwas anmaßend an, doch er wollte nicht all seinen Prinzipien entfliehen, die ihm all die Jahre etwas bedeutet hatten.
„Ist das denn für dich auch in Ordnung?“, fragte Aishan, als sie weiter liefen, der Ren nicht einfach außen vor lassen wollte.
Auf Rens Antwort hin lächelte Aishan und nickte. „Ich danke dir.“
Am nächsten Tag beschäftigte Aishan sich wieder mit den Beeten, die noch einiges an Pflege nötig hatten. Es war später Vormittag, als jemand auf ihn zugelaufen kam, um ihm einen Brief zu überreichen. Aishan wunderte sich, denn er wusste nicht, wer ihm schreiben könnte. Nicht viele wussten in der kurzen Zeit, wo er zu finden war.
Er säuberte sich kurz seine Hände, nahm den Brief und ging unter einen nahestehenden Baum, um ihn im Schatten besser lesen zu können. Sein Ausdruck änderte sich immer wieder, bis er einen ernsten Blick behielt. In dem Brief stand, dass seine Verlobte ihn sprechen wollte, die ihn durch den kurzen Besuch bei seinem Vater ausfindig gemacht hatte.
Aishan glaubte an einen schlechten Scherz und er überlegte den Brief einfach zu ignorieren. Nach all den Jahren glaubte er nicht wirklich daran, dass Lin Mei ihn immer noch heiraten wollte, zumal sie nie offiziell verlobt waren und sie in all der Zeit doch längst einen anderen gefunden haben musste. Außerdem wusste sein Vater sehr wohl, wo Aishan die vielen Jahre war. Wenn diese Frau also etwas zu klären gehabt hätte, wäre ein Brief zum Lan Clan sinnvoller gewesen. Mit all den wirren Gedanken war für Aishan zumindest klar, er würde auf diesen Brief nicht antworten.
Shan kam mit Xiao vorbei, weil er fragen wollte, ob sie alle gemeinsam essen gehen wollten und blickte seinen Bruder fragend an. Aishan jedoch schüttelte nur den Kopf, steckte den Brief ein und und ging mit den beiden mit.
Beim Essen fragte Aishan Xiaoshi, wie es ihm ging, auch, weil er das Thema um den Brief vergessen wollte.
Xiaoshi antwortete darauf fröhlich, worauf Aishan nicht anders konnte als zu lächeln. „Das freut mich.“
Sie unterhielten sich noch über vielerlei Dinge und vergaßen für den Moment ihre Sorgen.
Nach dem Mittag wollte Aishan noch einmal in die Stadt, um etwas Dünger zu kaufen, den er unbedingt brauchte, wenn er die Pflanzen schneller wachen ließ und am Ende nicht lauter dünne Stängel haben wollte. Der schattenspendende Baum, der den nachts blühenden Scheinmohn vor Sonne schütze, war bereits so groß, dass man unter ihm sitzen konnte, doch noch lang nicht groß genug, um darunter genug Blumen zu pflanzen.
Er gab Wei-Chan Bescheid, dass er in spätestens zwei Stunden zurück sein würde und machte sich auf zu Rens Haus, um sein Geld zu holen. Dabei machte er einen Umweg über den Übungsplatz und sah einige Clanmitglieder beim Training. Auch Ren.
Shi Mei erklärte gerade jemandem etwas, als er Aishan sah und auf ihn zuging. Er fragte ob er etwas zu tun habe, denn sonst könnte er am Training teilnehmen. Ansonsten würde er ihm etwas zum lesen mitgeben, in dem verschiedene Übungen beschrieben sind.
Noch konnte sich Aishan vor dem Training drücken, denn er war noch lang nicht fertig, mit seiner Aufgabe, die er als wichtiger empfand, da die Pflanzen noch vor dem heißen Sommer groß genug sein sollten. Also nahm er das Buch mit und legte es vorerst in Rens Haus ab. Vielleicht konnte er, wenn er wieder kam, darin noch etwas lesen.
Im Haus angekommen, dachte Aishan wieder an den Brief und sah noch einmal darauf. Nach einem kurzen Überlegen jedoch schüttelte der den Kopf, zerknüllte den Brief und warf ihn in einen kleinen Korb, der für Papier gedacht war. Wenn das eine neue Art seines Vaters war, womit er ihm das Leben schwer machen könnte, wollte Aishan lieber gar nicht erst darauf eingehen.
In Huolin angekommen suchte er die Straßen mit den Ständen ab und fragte sich schließlich durch. Er wollte nicht unnötig Zeit verschwenden und lieber bald fertig werden. Nur, weil er jetzt im Clan zu Hause war, hieß das nicht, er konnte trödeln. Auf Kampftraining war Aishan zwar nicht erpicht, doch wirklich drücken konnte er sich vermutlich nicht dauerhaft.
Bei einem Händler kaufte er genug Dünger und andere Sachen, die er noch nützlich fand und gab etwas extra, damit die Sachen noch heute im Feuerhain abgeliefert wurden.
Kaum, dass er fertig war, sprach eine Frau ihn an, die in Begleitung mehrerer Männer war. „Du bist Hua Lian, nicht wahr?“ Sie lächelte freundlich, doch ihre Begleitung verriet, mit ihr war nicht zu spaßen. „Oder besser gesagt inzwischen Lan Lian.“
„Wer möchte das wissen?“, fragte Aishan und sah die Frau vor sich fragend an.
„Ich bin Lin Mei, deine Verlobte“, begann sie und verschränkte die Arme. „Es war gar nicht so einfach dich ausfindig zu machen.“
Aishan blieb skeptisch. „Mich ausfindig zu machen ist nicht so schwer. Ich bin zwanzig Jahre im Lan Clan gewesen.“
Lin Mei verzog den Mund. „Dein Vater ist nicht gerade mitteilsam und sonst kannte niemand deinen richtigen Namen. Woher sollte ich wissen, dass du im Lan Clan bist und auch noch deren Namen angenommen hast.“
„Um genau solche Begegnungen zu meiden?“, kam es von Aishan und sein Gesicht war so neutral wie das von Shi Mei, der gerade einen Lachanfall hatte.
Lin Mei war kein bisschen begeistert von Aishans Antwort, versuchte sich aber zusammenzureißen. „Lass uns doch ins Gasthaus auf mein Zimmer gehen und dort weiter reden.“
„Ich wüsste nicht was es da zu bereden gibt“, kam es knapp von Aishan.
„Du bist immer noch mein Verlobter.“
Aishan schüttelte den Kopf. „Nicht das ich wüsste. Mein Vater teilte mir nur mit, das er eine Frau für mich gefunden hatte, doch eine offizielle Verlobung gab es nie.“
„Ja, weil du einfach abgehauen bist.“ Lin Mei wurde zorniger, doch beruhigte sich schnell, bei den vielen Menschen, die ihnen zusehen konnten. „Komm schon, lass uns wenigstens reden, soviel bist du mir schuldig.“
Aishan sah zu den Männern. „Wenn die draußen bleiben, in Ordnung.“
Lin Mein sah ihre Begleitung an und nickte schließlich.
In einem großen Zimmer, im Gasthaus, saßen sich die beiden schließlich gegenüber. Aishan machte momentan dem Lan Clan alle Ehre. Aufrecht saß er da, mit neutralem Blick und sagte nur dann etwas, wenn es nötig war. Lin Mei seufzte und bestellte Tee.
„Wieso bist du abgehauen?“, fragte sie schließlich. „Du kanntest mich doch noch gar nicht. Wäre es so schlimm gewesen, mich erst einmal kennenzulernen?“
An sich hatte sie recht, das wusste Aishan, doch sie kannte ihn nicht und wusste nicht, was er damals durchgemacht hatte und Flucht nun mal als einzige Lösung sah.
„Ich verstehe nicht, wie du so viele Jahre daran festgehalten hast. Inzwischen hättest du längst die Frau eines anderen Mannes sein können“, kam es von Aishan, ohne Lin Meis Frage zu beantworten.
„Du hast keine Ahnung, was meine Eltern mir alles an Männern vorgesetzt haben.“
„Vermutlich welche, die nicht viel Geld in die Familie gebracht hätten“, kam es von Aishan prompt.
Lin Meis Augen wurden schmal, doch nach einem kurzen seufzen blickte sie wieder normal. „Mag sein, das Geld eine Rolle spielt, doch ich wollte einen Mann, der auch gut aussieht.“
„Ich war damals zehn Jahre. Niemand kann in dem Alter sagen, wie man einmal aussieht.“
Lin Mei seufzte erneut. „Doch, ein wenig schon. Deine Eltern sind beide sehr gutaussehend... Verzeih, deine Mutter lebt schon lang nicht mehr... Und mir wurde erzählt, was für ein hübscher Junge du warst. Das machte mich neugierig.“
Aishan schüttelte den Kopf. „Und jetzt sind es Narben, die mein Gesicht entstellen.“
„Pah“, begann Lin Mei und richtete sich auf. „Als wenn du dadurch weniger gut aussiehst. Sei mal nicht so bescheiden. Du bist extrem attraktiv. Ich würde dich immer noch nehmen“, schwärmte sie herum.
Der Tee wurde gebracht und Lin Mei schenkte Aishan und sich Tee in kleine Becher ein.
Aishan trank einen Schluck und atmete tief durch. „Es tut mir leid, wenn du durch mich etwaige Unannehmlichkeiten gehabt hast, doch ich bin nicht interessiert.“
„Wieso nicht?“, fragte Lin Mei und wurde etwas lauter. „Bin ich dir nicht hübsch genug? Das Geld deines Vaters ist mir egal.“
Aishan schüttelte den Kopf. „Das ist es nicht. Doch ich werde keine Frau heiraten. Das wollte ich damals schon nicht. Und die Verlobung war damals nie offiziell, somit bin ich dir zu nichts verpflichtet. Zumal seit diesem Tag mein Vormund Lan Qiren war und alles was mein Vater je über mich entschieden hat, damit zunichte wurde.“
Lin Mei verstand nichts. „Wieso willst du nie eine Frau heiraten? Der Lan Clan ist doch kein Mönchskloster in dem man so einen Eid ablegt.“
Aishan hatte keine Lust ihr die Wahrheit zu sagen, also stand er auf. „Ich denke, wir haben lang genug über etwas geredet, bei dem es keine Einigung geben wird. Ich muss zum Feuerhain zurück. Es wartet Arbeit dort auf mich.“ Doch bevor Aishan auch nur einen Fuß in Bewegung setzen konnte, verschwamm sein Sichtfeld. Fragend blickte er zu der Frau ihm gegenüber, die in Ruhe ihren Tee trank.
„Was ist los?“, fragte sie ohne groß schockiert zu sein. „Geht es dir nicht gut?“
Die Worte von Lin Mei wurden immer dumpfer und ihm wurde langsam schwarz vor Augen.
„Was war in dem Tee?“, fragte Aishan noch, doch die Antwort hörte er nicht mehr.
Aishan wachte auf und wunderte sich nicht, dass er nicht mehr im Gasthauszimmer in Huolin war. Unter ihm war fester Stein inmitten eines sandigen Gebiets mit kargem Baumbewuchs. Der Wind wehte stärker und Aishan sah bald wieso.
Ein hochgelegenes Gebiet, welches nicht sehr weit von Huolin entfernt sein konnte, und mit verschiedenen kleinen Häusern bebaut.
Die Gebäude waren alt und nur eins schien noch in gepflegtem Zustand zu sein. Der Hof in dem Aishan saß, hatte keine befestigte Mauer mehr. Man konnte rundherum die Berge sehen und nicht weit von ihm entfernt, trennten nur wenige Büsche einen steilen Abhang, der zu einem Tal mit einem ruhig verlaufenden Fluss führte.
Als Aishan an sich herunter sah, trug er nicht mehr seine eigene Kleidung, sondern nur noch ein einfaches Gewand. Zusätzlich hatte er alte Eisenketten um die Handgelenke, dessen Enden am Boden befestigt waren und nur für den notdürftigen Zweck gereinigt zu sein schienen.
Aishan seufzte lautlos, als er sah, in welcher Situation er sich befand. Die Sonne stand schon weit unten und vermutlich wurde er im Feuerhain bereits vermisst.
Lin Mei trat schließlich zu ihm und hockte sich vor ihn. „Tut mir Leid. Das war nicht meine Absicht. Ich wusste nicht, dass du so schnell umkippst. Dabei wollte ich dir noch einen Vorschlag machen, mit dem wir vielleicht gemeinsam leben können.“
Aishan hob kurz seine Arme. „Zu was dann die Ketten? Du scheinst mir ja alles weggenommen zu haben, mit dem ich mich hätte verteidigen können.“
„Ich falle auf eure Tricks nicht rein“, grinste Lin Mei und schüttelte den Kopf. „Kaum dreht man sich um, schon könnt ihr Kultivierer eine Armee vernichten.“
Aishan hob fragend die Augenbrauen. „Das ist doch etwas weit hergeholt.“
Lin Mei setzte sich zu Aishan auf den Boden. „Ich habe nicht so viel Zeit, also hier mein Vorschlag. Du unterschreibst diese Papiere, das macht uns offiziell zu Ehepartnern und du musst mich nie wieder sehen.“
„Abgelehnt“, antwortete Aishan nur und Lin Mei rückte etwas näher.
„Du wirst am Ende auch etwas davon haben.“
„Und was soll das sein?“
Lin Mei suchte nach den richtigen Worten, wusste allerdings nicht wie sie Aishan überzeugen konnte, als sprach er weiter.
„Es scheint dir ja nicht allein um Geld zu gehen, dazu kannst du auch einen anderen Mann nehmen, der ebenfalls Geld hat. Scheinbar geht es dir auch nicht um das Aussehen, wenn du wieder verschwinden willst. Also, was willst du wirklich?“
„Ich brauche den Einfluss der Hua Familie, um in den kaiserlichen Palast zu kommen. Meine Eltern sind unter Arrest und ohne Einfluss lassen sie mich nicht rein. Dein Vater hat einen Ratssitz, besser kann man es nicht treffen.“
„Wieso sollte ich dir das glauben? Das hättest du mir auch im Wirtshaus erzählen können und wenn das wahr ist, gäbe es andere Wege.“
Lin Mei stand genervt auf. „Glaubst du denn, ich habe nicht längst an alles gedacht? Woher soll ich denn wissen, wie du über solche Sachen denkst? Du könntest genauso gut zum kaiserlichen Palast spazieren, nachdem ich dir das gesagt habe, um mein Vorhaben zu melden. Dann wären meine Eltern am Ende tot. Weiß ich denn, wie jeder von euch im Lan Clan tickt? Es gibt nicht nur gute Sachen, die man von den ganzen Clans hört. Viele terrorisieren Menschen und glauben über allem zu stehen. ...Ich habe dir das jetzt auch nur erzählt, weil du in dieser Situation nicht sofort etwas unternehmen kannst. Und glaub mir, kein Clan mischt sich in politische Dinge ein, die bis zum Palast des Kaisers gehen.“
Aishan sah nach oben zu Lin Mei, die ihn immer noch wütend anblickte. „Wenn deine Geschichte wahr ist, wie glaubst du damit deine Eltern zu befreien? Du magst hinein kommen, doch nicht wieder raus. Und deine gesamte Familie wäre für immer auf der Flucht.“
„Dein Name sollte genug Eintritt verschaffen, um sie auf legalem Wege herauszuholen. Und sollte das nicht möglich sein, werde ich dort schon raus kommen. Die Wachen sind dort nicht so genau bei denen die raus gehen, sondern nur die rein wollen. Und dann gehen wir nach Dongying. Ich habe dort lang genug gelebt und kann das auch weiterhin und meine Eltern nehme ich mit.“
Aishan überlegte kurz, doch sein Blick sagte bereits, das er auch hierbei nicht helfen würde. „Sagen wir, ich würde dir helfen. Dann denkst du allerdings immer noch nur an dich und deine Eltern. Meine Familie wäre im Verruf und wäre ebenso gesucht. Politisch müsste man viele Asse im Ärmel haben, damit das kein Nachspiel hat. Ist dir das vielleicht in den Sinn gekommen?“
„Dann hilf mir doch, verdammt noch mal.“
„Wenn ich das tue, dann auf andere Weise und vor allem nicht so.“ Dabei hielt Aishan seine Arme hoch, als Zeichen, dass die Ketten zuerst weg sollten. „Du willst Vertrauen? Dann fang damit an.“
Kurz zögerte Lin Mei doch winkte einen Mann herbei, der etwas entfernt da stand und sofort zur Tat geschritten wäre, sollte Aishan etwas wagen.
Doch, kaum dass er sich auf den Weg machen wollte, erschütterte der Boden und alles blieb erschrocken stehen.
„Bist du das? Hör auf damit“, sagte Lin Mei leicht verängstigt.
„Wäre ich das, hätte ich schon eher damit angefangen“, antwortete Aishan nur und blieb ruhig.
Lang bekam er allerdings nicht mehr die Möglichkeit, da ein dumpfes Grollen begann, gefolgt von einem starken Beben, welches die Erde spaltete und einen Zugang zu einem unterirdischen Gang frei gab. Noch war es hell genug und nichts traute sich heraus, doch anhand der Geräusche konnte man bereits ahnen, dass es mindestens ein großes Monster war, welches sich einen neuen Weg suchte, aus seiner engen Behausung zu entfliehen.
Der Mann mit den Schlüsseln wurde in den Spalt gezogen und ward nicht mehr gesehen.
Lin Mei starrte zum Abgrund, in dem der Mann verschwunden war. „Was ist das in letzter Zeit mit diesen ganzen Monstern?“, schrie sie und drehte sich panisch zu Aishan. Kurz überlegte sie. „Ich hole dein Schwert, damit bekommen wir die Ketten durch.“
Kaum gesagt, rannte sie zu dem noch gut erhaltenen Gebäude, doch als sie ins Innere rannte, stürzte die Decke ein und Aishan wusste nicht, ob Lin Mei darunter begraben wurde.
Aishan hatte keine Zeit zum überlegen. Zum Glück hatte er schmale Handgelenke und versuchte so aus den Ketten herauszukommen. Immerhin eine Seite bekam er nach einer Weile heraus, auch wenn er sich dabei verletzte, doch das waren nur Kratzer, im Vergleich zu dem, was dieses Monster anrichten würde, sollte es aus dem Berg heraus kommen.
Wieder bebte der Boden und direkt unter Aishan tat sich ein weiterer Spalt auf. Hastig versuchte er auch seine andere Hand zu befreien, doch kaum waren die Ketten weg, stürzte hinter ihm der Hang ab und riss Aishan mit sich. Gerade so konnte er sich an einer der Ketten festhalten und versuchte wieder nach oben zu gelangen, als die Ketten aus ihrer Verankerung rissen und Aishan nach unten rutschte. Nur mit Hilfe von Ranken, konnte er seinen Sturz bremsen, doch in der kurzen Zeit hatte er keine Möglichkeit genug Ranken wachsen zu lassen, so dass er, sobald er fast unten war, mit dem Fuß weg knickte und ein starker Schmerz bis ins Bein nach oben zog.
Eine kurze Zeit war Aishan nur ohne Bewusstsein, doch es wurde bereits dunkel.
Er blickte sich um und konnte weder jemanden sehen, noch irgendein Monster oder Menschen hören. Nur der Fluss plätscherte munter vor sich hin.
Aishan stand auf, ließ es jedoch gleich darauf wieder sein. Sein Knöchel tat weh und das Laufen würde ihm schwer fallen. Zudem hatte er sein Schwert nicht dabei, um sich damit zu verteidigen oder geradewegs zum Feuerhain zu fliegen. Wo auch immer er war, denn er kannte diese Gegend nicht.
Nachdem er sich umgesehen hatte und keine schnelle Hilfe erwarten konnte, raffte er sich schließlich auf und humpelte zum Fluss, um sich zu säubern und seinen Fuß ins Wasser zu halten. Auch wenn er gerade nicht viel tun konnte, Kühlung half bei einer Verstauchung immer und er wollte nicht, das sein Fuß noch anschwoll.
Am Wasser angekommen, setzte er sich auf einen etwas größeren Stein und hielt seine Füße und Handgelenke ins Wasser. „Gleich viel besser“, sagte er zu sich und seufzte tonlos.
Aishan dachte nach.
Sicher würden einige vom Hao Clan bereits nach ihm suchen und hoffentlich auch finden. Doch spätestens mit dem auftauchen eines erneuten Monsters, sollte es Clanmitglieder anziehen. Ob sie ihn so weit abseits des Geschehens allerdings finden würden, war eine andere Sachen.
Lin Mei hatte jedoch recht. Was war in letzter Zeit mit diesen Monstern los? So viele in so vielen Gebieten in so kurzer Zeit mit solch zerstörerischen Kräften.